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Gospelkonzert: Dirigent Philipp Schädel sorgt mit seinen Ensembles, Solisten und Instrumentalisten für Begeisterung in der ausverkauften Wendelinskirche

Gänsehautfeeling und pure Lebensfreude

Von Katharina Horn

Reilingen. Christa und Helmut Seidler sind froh, als sie einen Platz in der vierten Reihe in der prall gefüllten Kirche Sankt Wendelin ergattern. Sogar einige Stühle wurden neben die Kirchenbänke gestellt, um den großen Besucherandrang beim Gospelkonzert des 2010 gegründeten Reilinger Gospelchors, der sich eigens für das Konzert "Joyful, joyful" mit dem Jugendchor "Vocal Offspring", den Chören "Cantiamo" aus Ketsch, der "Stimmbande" Nußloch und den Gesangschülern von Dirigent Philipp Schädel zusammengetan hat, gerecht zu werden.

Stimmgewaltiger Chor

"Wir sind große Gospelfans", sagt Christa Seidler beim Setzen. "Die afrikanischen Sklaven bekamen während ihrer Arbeit auf den amerikanischen Farmen im 18. und 19. Jahrhundert vieles verboten, doch Singen mit Händen und Füßen zu biblischen Themen gehörte nicht dazu", ergänzt ihr Mann den historischen Hintergrund des Gospelgesangs. Genau diesen gab es eineinhalb Stunden lang in all seinen verschiedenen Facetten beim "kirchenbezirks- und konfessionsübergreifenden Konzert" des evangelischen Gospelchors.

"Halleluuuja, Halleluuuja" singt Nico Cicalone gefühlvoll und einfühlsam zugleich den Refrain des bekannten Songs "Halleluja" von Leonard Cohen und berichtet den Zuhörern in den Strophen von den Ereignissen König Davids. Das Ergebnis: Gänsehautfeeling pur im Zuschauerraum. Dieses wird noch verstärkt, als der stimmgewaltige 100 Personen starke Chor in die Melodie einstimmt und die Band um Benjamin Sturm (Gitarre), Marina Nottbohm (Klavier), Oliver Brinkmann (Bass), Carsten Wagner (Schlagzeug) sowie Tontechniker Sebastian Uhland das gelungene musikalische Zusammenspiel dezent untermalen.

Das Konzert ist gut gegliedert und macht dem Titel "Joyful, joyful" (übersetzt freudig, freudig) alle Ehre. Nicht nur den Akteuren merkt man die unbändige Lust und Freunde am Gesang an, sondern auch das Publikum hat, dem langen Applaus nach zu urteilen, seine Freude. Immer wieder flüstert es leise in den Reihen "toll", "wunderbar", als die exzellenten Gesangschüler von Dirigent Philipp Schädel - Daniela Geiger, Daniela Hirth, Benjamin Sturm, Julian Hofmann, das Muttertochter-Duett Kornelia und Romina Afflerbach, Julia Schnitter, Charlotte Auer und Marvin Merkhofer, Jasmin Pröser und Michael Bauch - ihr Können und ihre Leidenschaft abwechselnd in traditionellen Spirituals wie "You are loved" und Stücke aus dem Musical "Sister Act" teils solo, teils gemeinsam mit dem Chor, darbieten.

Pfarrerin übersetzt Liedtexte

Zu Beginn und zum Schluss singt der Chor mal fröhlich-frisch, mal nachdenklich medleyähnlich die Songs aus dem Musicals "Jesus Christ Superstar" und "Joseph", weitgehend allein.

"Josef träumt sich nun aus seinem Elend", sagt Pfarrerin Stefanie Nuß. Zwischen den Liedern gab sie eine kurze Zusammenfassung des Inhalts der englischen Texte. "So weiß auch die ältere Generation, die gänzlich ohne Englischkenntnisse aufgewachsen ist, wovon die Lieder handeln", freut sich Christa Seidler über die Idee.

Interessiert lauscht sie daraufhin Jesus' Erfahrungen am See Genezareth im Lied "Heaven on their Minds" und Josefs Traum von seinen Brüden in "Any dreams we will do". Eines bleibt dabei allen Interpretationen aber immer gleich: Während die Harmonien miteinander wetteiferten, kommen auch die Hände beim Singen zum Einsatz. Und so versprühen die knapp 100 Sänger im Altarraum mit rhythmischem Schnipsen und Klatschen reine Lebenslust bei der Übermittlung christlicher Botschaften, die offensichtlich ansteckt. Denn auch dem Publikum ruckt und zuckt es in allen Gliedern.

Die Höhepunkte des Konzerts lassen sich nur schwer aufzählen. Es gibt schlichtweg zu viele. Die sieben "Swingin' Kurpalz Singers" sorgen bei ihrer A-cappella-Version von "Heaven is a wonderful place" mit ihrem schmelzend-weichen Gesang des Baritons für stille Anmut und Melina Skoumpopulus mit ihrem herrlichen Timbre beim Lied über Maria ("Hail holy queen"), ebenso wie die zahlreichen Solisten mit ihren souligen Stimmen, für gute Laune.

Der Chor beweist ein ums andere Mal seine außergewöhnliche stimmliche Dynamik und registriert jedes auch noch so kleine Handzeichen des engagierten Dirigenten Philipp Schädel.

"Einfach fantastisch"

Die Besucher werden mehrfach regelrecht in die Weiten der Zuckerrohr- und Baumwollfelder, auf denen die Sklaven schufteten, entführt. Stehende Ovationen, mehrere Zugaben und begeistere Zuhörer zum Abschluss sind die logische Konsequenz. "Es war einfach fantastisch", lobt Christa Seidler den Chor, als sie die Kirche verlässt.

© Hockenheimer Tageszeitung, Mittwoch, 24.04.2013
Quelle: www.morgenweb.de